Hun dläuft mit passendem Geschirr über Feld

Welches ist das beste Hundegeschirr und wann sitzt es richtig? Interview mit einer Expertin

Monika Lorenzen näht beruflich Hundegeschirre. In einem Interview verrät sie uns, was ein gutes Hundegeschirr ausmacht. Welches ist das beste Hundegeschirr? Wann sitzt es richtig? Worauf sollte man beim Kauf eines Führgeschirrs achten? Und was sind No-Gos?

Monika Lorenzen mit Handzahm

Vor 10 Jahren hat Monika Lorenzen das Label „handzahm“ in Buxtehude (Norddeutschland) gegründet. Sie fertigt Geschirre nach Mass an. Aus langjähriger Erfahrung weiss sie, worauf es ankommt.

Sonja Fischer: Wie bist du auf die Idee gekommen, Hundegeschirre zu nähen?
Monika Lorenzen: Für meine inzwischen 14-jährige Labradorhündin Lahja gab es keine gute Auswahl an passenden, schönen und noch dazu gepolsterten Hundegeschirren.

Und dann wolltest du ein Geschirr für Lahja nähen?
Genau. Da meine Mutter bereits Geschirre für ihre Hündin genäht hatte, habe ich es von ihr gelernt. Mein erstes Geschirr war also für Lahja, meine eigene Hündin, weil ich einfach nichts gefunden habe in den Läden.

Wieso wolltest oder willst du deine Hunde unbedingt an einem Geschirr führen?
Naja, wenn man sich im Auto anschnallt, tut man das ja auch nicht am Hals. Die Verletzungsgefahr ist bei einem Halsband einfach viel grösser. Zudem kann es Schmerzen verursachen. Dort sind die Luftröhre, die Halswirbelsäule, die Schilddrüse, der Kehlkopf… Ich hatte schon Hunde, die zu mir kamen, weil sie tierärztliche „Geschirrpflicht“ erhalten haben, nachdem ein starker Ruck ihre Halswirbelsäule verletzt hat. Und das sind nicht nur grosse Hunde, auch kleine und auch solche, die normalerweise kaum ziehen. Das ist schnell passiert.
Ausserdem beschränkt das Führen am Halsband die Körpersprache eines Hundes, so dass Haltung und Mimik verfälscht sind.
Deswegen wollte ich für Lahja unbedingt ein Geschirr. Aber das Beste, was ich noch finden konnte, war ein Norweger-Geschirr, aber das war auch nicht wirklich gut.

Was hältst du denn generell von Norweger-Geschirren?
Naja, früher habe ich sie auch mal angeboten, denn sie sind praktisch. Die grosse Öffnung am Kopf und nur ein seitlicher Klickverschluss ermöglichen ein einfaches und schnelles An- und Ausziehen. Beim Norwegergeschirr ist die Herausforderung allerdings, dass der Brustgurt weder zu hoch, noch zu tief sitzen darf. Und dadurch, dass beim Norwegergeschirr der Gurt quer über die Brust und seitlich auf den Schulterblättern verläuft, wird die Schulterpartie in ihrer natürlichen Bewegung beeinträchtigt.

Norweger-Geschirre sitzen häufig zu tief und schränken die Bewegungsfreiheit ein
Bilder: Der tiefliegende Riemen des Norweger-Geschirrs drückt zwar einerseits nicht in die Luftröhre, schränkt aber andererseits die Bewegungsfreiheit der Vorderläufe ein.

Ausserdem ist diese Art von Geschirr nicht ausbruchssicher. Auch nervenstarke Hunde, die gut an der Leine laufen, können sich so sehr erschrecken, dass sie versuchen zu fliehen. Diese Situationen kann man nicht voraussehen, sie passieren einfach in unerwarteten Momenten. Ich finde, das ist kein optimales Geschirr. Deswegen fertige ich keine Norwegergeschirre mehr an. 

Bei kleinen Hunden sehe ich oft die Softshellgeschirre, bei denen der Hund von oben reintritt. Empfehlenswert?
Hmm, ich denke, grundsätzlich sind diese kaum auf den individuellen Hundekörper einstellbar und müssen schon richtig gut sitzen, um nirgends zu drücken. Häufig sitzen sie hinter der Schulter zu eng und reiben dann, wenn der Hund das Vorderbein zurücknimmt.
Ich stelle mir auch vor, dass das Material sich bei Regen vollsaugt und im Sommer zu warm ist, weil es so aufträgt. Aber ich habe damit auch nicht so viel Erfahrung…

Softshell-Geschirre lassen häufig zu wenig Platz hinter der Schulter
Bild: Hier sieht man, was Monika Lorenzen beschreibt: Das Geschirr sitzt sehr nah hinter der Schulter und kann deshalb scheuern.

Welche Geschirre stellst du denn her, welches sind gute Geschirre?
Ich fertige Brustkreuzgeschirre an, vor allem aber Führgeschirre. Also Geschirre, die wie ein Y an der Brust zusammengehen.

Bild links: Das Brustkreuzgeschirr teilt sich unterhalb des Brustbeins. Bild rechts: Das Führgeschirr kommt beim Brustbein in einer Y Form zusammen.

Was macht diese Geschirre deiner Meinung nach so gut?
Das Geschirr ist so konstruiert, dass es sich dem Körperbau des Hundes ergonomisch anpasst. Es entsteht eine optimale Zugverteilung, welche den Rücken und die Gelenke des Hundes schont. Ausserdem gibt es viele Möglichkeiten, die Geschirre anzupassen. Man kann nicht nur die Grösse anpassen: Für Hunde, die nicht gerne ins Geschirr einsteigen oder im Vergleich zu ihrem Körper einen relativ grossen Kopf haben, kann man eine Schnalle am Halsauschnitt anbringen. Dann muss man das Geschirr nicht über den Kopf ziehen. Für Hunde mit ausgeprägtem Brustbeinknochen, wie ihn Dackel zum Beispiel häufig haben, kann ich einen polsternden Brustlatz vorne anbringen. Ich kann auch einen geteilten Bauchsteg anfertigen, so dass das Geschirr nicht hin und her rutscht. Und ich kann viele verschiedene Polstermaterialien nutzen.

Welches Polstermaterial empfiehlst du?
Das kann ich nicht generell sagen, das müssen Hundehalter*innen abhängig von ihrem Hund entscheiden. Für Hunde mit sensiblem Fell und empfindlicher Haut eignet sich Fleece gut oder ein anderer sehr weicher Stoff. Für einen Labrador, der sich in jede Pfütze legt, ist zum Beispiel Softshell oder schnelltrocknendes AirMesh eine bessere Wahl.

Führgeschirre mit dem richtigen Sitz
Bild links: Führgeschirr mit Schnalle am Halsausschnitt, gepolstert mit Softshell. Bild Mitte: Führgeschirr mit geteiltem Bauchsteg, gepolstert mit AirMesh. Bild rechts: Sicherheitsgeschirr mit weichem Brustlatz, gepolstert mit Fleece.

 

Worauf sollten Hundehalter*innen sonst noch achten, wenn sie ein Führgeschirr oder Brustkreuzgeschirr kaufen? Wobei, nehmen wir mal ein Führgeschirr, Brustkreuzgeschirre habe ich hier um Zürich rum noch kaum gesehen in den Läden.

Ich finde es wichtig, dass das Anziehen einfach ist, dass die Geschirre waschbar, pflegeleicht sind. Die Gurtbandbreite und -stärke sollte für die Grösse des Hundes angemessen sein. Das Geschirr sollte nicht klappern oder scharfkantiges Material haben.

Und was den Sitz angeht, wann passt es wirklich?
Erstens: Nicht zu eng am Hals, also zu hoch. Wenn der Halsausschnitt zu hoch ist, dann schneidet das Geschirr wieder in die Luftröhre, wie ein Halsband. Die Kreuzung vorne sollte auf dem Brustknochen oder knapp unterhalb vom Brustknochen liegen, so, dass man durch den Ring den Knochen spürt. Bei manchen Hunden minimal darunter aber auf keinen Fall darüber. Das sollte man prüfen, auch auf Zug. Den Brustbeinknochen kann man gut selber erfühlen.

Führgeschirr sitzt zu hoch und drückt in Hals
Bilder: Hier sieht man schon, dass das Geschirr zu weit hoch geht und bei Zug in die Luftröhre drücken wird. Das sieht man sehr häufig, sagt Monika Lorenzen.

Der Ring, der vorne die drei Gurtriemen zusammenhält, sollte unterlegt, also gepolstert, sein.

Und zwischen den Vorderbeinen sollte genug Platz sein und auch hinter den Vorderbeinen: Je nach Hundegrösse sollten hier 3-5 Finger hinter der Schulter frei sein, damit nichts einschneidet.

Hundegeschirr sitzt zu eng hinter den Schultern
Bild: Bei diesen beiden Geschirren ist der Abstand hinter der Schulter zu klein und das Geschirr schneidet unangenehm ein.

Zusammenfassend sollte ein gutes Geschirr also so gestaltet sein:

So muss ein Hundegeschirr richtig sitzen

Übrigens: Manchmal braucht es auch gar kein neues Geschirr. Häufig sind Geschirre auch einfach nicht gut eingestellt. Das kann man einfach beheben.

Also am besten gleich das Geschirr mal anziehen und die Punkte oben auf dem Bild kontrollieren. Vielen herzlichen Dank, Monika Lorenzen, für das Interview und deine Tipps!