Hunde und Feuerwerke: selten Freunde

Feuerwerksinitiative: Hunde und Geräuschangst

Seit einigen Tagen läuft die Unterschriftensammlung für die Feuerwerksinitiative. Was will die Initiative und wieso ist sie für unsere Vierbeiner (und auch uns Menschen) eine Chance? Wieso finden Hunde Feuerwerk so schlimm? Wie erkennst Du erste Anzeichen, dass Dein Hund Angst hat? (Lesedauer: 5 min)

Was will die Feuerwerksinitiative?

Die Feuerwerksinitiative möchte erreichen, dass auch Hundehalter*innen (und vor allem auch die Hunde) am 1. August und an Silvester entspannt mitfeiern können. Und auch, dass Hunde und Hundehalter*innen nicht mehr „Off-Season“ von Feuerwerk überrascht werden. Denn wenn der Hund dann gerade nicht an der Leine ist, kann das für unsere Hunde in der dicht befahrenen Schweiz lebensgefährlich werden – je nach Wohnort sind das laut der eidgenössischen Volksinitiative um die 30 Abende im Jahr. Abendliche Spaziergänge werden damit ein Glücksspiel, bei dem es nicht wirklich etwas zu gewinnen gibt.

Es geht in der Initiative nicht ums Feiern an sich, betont Corinne Meister, Mitglied des Initiativkomitees. Es geht auch nicht um ein pauschales Verbot von Feuerwerksverkauf, sondern nur von solchem, das knallt. Inzwischen gibt es auch moderne Lichtkunstformen mit z.B. Drohnentechnik – damit können auch Grossanlässe wunderschön zelebriert werden – nur eben leise.

Feiern ohne Feuerwerke

Bild: Es lässt sich auch leiser feiern: Wunderkerzen sind für viele Hunde zum Beispiel viel weniger beängstigend. Dann gibt es noch Zuckerstöcke und vieles mehr. Dem Feiern soll also kein Ende gesetzt werden, nur dem Lärm.

Auf der Webseite www.feuerwerksinitiative.ch findest Du mehr Informationen zur Initiative, ihrem Anliegen und welche Vorteile sie auch für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft bringt. Dort kannst Du auch Unterschriftsbögen und die Anleitung dazu herunterladen. Wir freuen uns über jede einzelne Unterschrift!

Haben denn wirklich so viele Hunde Angst vor Feuerwerk?

Nach einer Umfrage (1225 Teilnehmende) von Dr. Stefanie Riemer (Verhaltensbiologin, erforscht Hundeverhalten an der Uni Bern) zeigte die Hälfte der Hunde ängstliches Verhalten bei Feuerwerksevents. Auf die halbe Million in der Schweiz lebenden Hunde gerechnet sind das also 250’000 Hunde, die im August und zu Neujahr wenig zu feiern haben.  Besonders betroffen sind Tierschutzhunde und Hütehunde. Besonders selten betroffen sind dagegen Hunde, die als Welpe präventiv trainiert wurden (Riemer, 2019).

Was ist so schlimm am Feuerwerk?

Evolutiv gesehen ergibt es schon Sinn, vor lauten Geräuschen Angst zu haben. Denn diese können Gefahren ankündigen. Die natürliche Reaktion auf eine Gefahr ist es, die Distanz zur Lärmquelle zu vergrössern, sprich: Die Beine in die Hand (oder eher die Pfoten ins Maul) zu nehmen. Diese natürliche Strategie klappt bei unseren Haushunden nicht. Erstens kommen Feuerwerke meist von  allen Seiten zugleich. Zweitens ist die Vorstellung allein, unsere Hunde bei Feuerwerken einfach wegrennen zu lassen, völlig absurd.  Folglich fällt für unsere Hunde eine wichtige „Coping“-Strategie weg. Es ist ein Kontrollverlust. Keine Kontrolle mehr zu haben, macht noch mehr Angst.

In Grisha Stewarts (2016) Worten:

Zitat zu Empowerment und Kontrolle

Bild: Hunden Kontrolle über die eigene Situation zu geben, ist eine wichtige Zutat für ein erfolgreiches, faires Hundetraining. Das Zitat stammt aus Grisha Stewart’s Buch „Behavior Adjustment Training 2.0“.

Wenn diese hilflose Situation stundenlang andauert, wird der Hormonhaushalt so durcheinandergebracht, dass es nicht immer am nächsten Tag wieder im Lot ist. Viele Hunde brauchen mehrere Tage bis sogar Wochen, bis sie wieder einen ausgeglichenen Hormonlevel erreicht haben und zum Normalverhalten zurückfinden (vgl. Riemer, 2019). Wenn dann noch öfter als an den zwei offiziellen Abenden geballert wird, führt das zu einer grossen psychischen und physischen Belastung…

Wie erkenne ich, dass mein Hund Geräuschangst hat?

Geräuschangst führt zu offensichtlichen Verhaltensweisen wie Sich-Verkriechen, Schlottern oder sogar zu Erbrechen.

Es gibt aber eine Menge „kleinerer“ Anzeichen, zum Beispiel, wenn Dein Hund viel anhänglicher ist als sonst. Häufig suchen die Hunde Deine Aufmerksamkeit dann etwas hektisch, lecken Dich viel mehr ab als sonst oder klettern auf Dich. Beachte besonders auch den Gesichtsausdrucks Deines Hundes! Anzeichen sind zum Beispiel zurückgezogene oder komplett angelegte Ohren (siehe Bilder unten), erweiterte Pupillen, Hecheln, Speicheln. Beobachte Deinen Hund genau! (vgl. Westlund, 2021; Gähwiler et al., 2020)

Die Bilder unten zeigen Dir zwei Beispiele für Gesichtsausdrücke bei Geräuschangst.
Hund mit Geräuschangst vor Gewitter und Feuerwerk

Bild: Dieser Hund ist durch einen Donnerschlag sehr beunruhigt: Die Augen sind aufgerissen und Du kannst die weisse Lederhaut sehen. Das Maul ist geschlossen, die Stirn gerunzelt. Die Ohren lauschen, sind aber gleichzeitig nach hinten gezogen. 

Geräuschangst bei Knall

Bild: Emi hat sich vor einem Knall erschreckt. Sie hat eng anglegete, nach hinten gezogene Ohren, ihre Stirnhaut ist glatt. Auch hier siehst Du das Weisse in den aufgerissenen Augen. Der Mund ist fest geschlossen, mit einem Gähnen versucht sie, Stress abzubauen. Emi ist auf meinen Schoss geklettert, ich weiss aber, dass sie nur Körperkontakt möchte. Steicheln wäre ihr jetzt zu viel und würde die Lage nicht verbessern. Kein guter Zeitpunkt für viele Fotos, lieber schnell Zugang zu ihrer „Sicher-fühl“-Höhle gewährleisten. Ich setze mich daneben, damit sie Körperkontakt suchen kann, wenn sie möchte.

Was kann ich gegen Geräuschangst tun?

Eine gute Frage – und wie immer gilt: Vorsicht mit Pauschalaussagen!

Wenn ich mich für einen Tipp entscheiden müsste, wäre es, einen Rückzugsort zu bieten: eine mit Kissen abgedämmte Box vielleicht, die der Hund schon gut kennt. Wenigstens eine Art Ausweg zur Verfügung stellen also. Ein bisschen Kontrolle ermöglichen. Das ist eines von vielen Rädchen, an denen man drehen kann. Massnahmen gegen Geräuschangst sind ein Thema für sich – und auf jeden Fall auch einen eigenen Blogbeitrag wert. Mal sehen, wann ich dazu kommen werde…

Bis dahin findest Du unten Lesetipps, aber:

Bitte behalte im Kopf, dass jeder Hund ein Individuum ist! Auch eine Massnahme, die bei 99 von 100 Hunden funktioniert, bei Deinem Hund trotzdem kontraproduktiv sein kann. Ich empfehle Dir, das Thema Geräuschangst mit einem Trainer/einer Trainerin anzugehen, der/die niet- und
nagelfest im Lesen von Körpersprache ist. Beim Thema Geräuschangst kann man viel falsch machen…

Und was Du sofort machen kannst: Die Feuerwerksinitiative unterschreiben!

Lesetipp-Icon

Lesetipps zu Geräuschangst

Karolina Westlund hat zu dem Thema einen spannenden Blogartikel geschrieben: „Dogs and fireworks“ (englisch). Dort findest Du eine Aufstellung verschiedener Präventions- und Sofort-Massnahmen, die Du ergreifen könntest. Ebenfalls auf Englsich verfügbar ist Grisha Stewarts Blogartikel „Fireworks, Thunder and Scary Sounds: Training and Survival Tips„.

Hier kannst Du den Artikel „Geräuschangst beim Hund – Neues aus der Wissenschaft“ von Dr. Stefanie Riemer der Vetsuisse Fakultät Uni Bern downloaden.

Wenn Du in Themen wie negative und positive Verstärkung und Feedbackschlaufen eingearbeitet bist, könnte auch dieser englische Artikel für Dich spannend sein: „Dog owners: to pet or not to pet during thunderstorms or fireworks„.

 

Viel Spass beim Lesen – und denk dran:
Es gibt keinen Hund zweimal – bitte hole dir beim Training professionelle Hilfe!